Oralverkehr: Gleichberechtigung für alle

Oralverkehr

Aufgrund meiner Hautfarbe gehen Menschen öfters davon aus, dass ich kein Deutsch spreche und starten die Konversation mit mir auf Englisch. Ich könnte mich darüber aufregen, tue es aber nicht. Je nachdem, in welcher Stimmung ich bin, antworte ich auf Deutsch zurück, was oftmals für Überraschung bei meinem Gegenüber sorgt, der in dem Moment merkt, was für Stereotypen er im Kopf hatte. Manchmal spiele ich aber auch die Englisch sprechende Lady. Ist ja auch gut für mich, um in Übung zu bleiben.
Der „Vorteil“ dieses Vorurteils ist, dass ich in den „Genuss“ von Gesprächen komme, die Menschen nicht führen würden, wenn sie nicht der Annahme erlegen wären, ich wäre aufgrund meiner Hautfarbe der deutschen Sprache nicht mächtig.

„Sie wollte, dass ich sie lecke!“

Neulich wartete ich an der Bar auf meine Verabredung. Unweit von mir saßen zwei leicht angetrunkene Männer und unterhielten sich über ihre neusten Frauenbekanntschaften, die sie über Tinder gemacht haben. Ich gehe davon aus, dass sie trotz ihres alkoholisierten Zustandes leiser gesprochen hätten, wenn sie davon ausgegangen wären, ich könnte jedes Wort verstehen. Es war das übliche Gespräch über Vorzüge bzw. Nachteile des Körpers der Frau, wie das Date an sich verlief, die Frage, ob es ein erneutes Treffen geben wird etc. Ich war schon am Abschalten, als einer der beiden davon erzählt hat, dass er eine Frau kennengelernt hat, die er eigentlich gut findet, aber der Abend nicht so verlaufen wäre, wie er sich das vorgestellt hatte. Auf die Frage seines Freundes, was passiert sei, antwortete er empört: „Sie wollte, dass ich sie lecke!“ Ich konnte das leicht verzogene, angewiderte Gesicht zwar nicht sehen, aber ich habe es in der Stimme gehört. Ja, sie hat tatsächlich den Wünsch geäußert, dass er auf die Knie geht und sie oral verwöhnt. Nun könnte man meinen, der Freund hatte ihm gesagt, dass es ok ist, dass sie das möchte und seine Empörung infrage gestellt. Aber nein. Er sagt nur: „Hat sie Dir denn wenigstens einen geblasen?“ Was der andere bejahte und fortfuhr zu erläutern, dass er ein Problem mit dem Geschmack, dem Geruch und überhaupt damit hat. Zustimmendes Kopfnicken von seinem Gegenüber.

Das war der Moment, in dem ich am liebsten aufgestanden, hinübergegangen und ein paar Takte zu den Themen Doppelmoral, Sexismus und Chauvinismus gesagt hätte. Aber ich habe die Füße stillgehalten und mir darüber Gedanken gemacht, wie es sein kann, dass für einen Mann Fellatio selbstverständlich ist, aber er für sich Cunnilingus ablehnt. Meine Gedanken wurden dann aber durch das Eintreffen meiner Verabredung unterbrochen und ich habe mir den Abend mit ein paar Cocktails versüßt.

Erst als ich wieder zu Hause und im Bett lag, kam mir das Gespräch wieder in den Sinn und ich habe in meine eigene Vergangenheit zurückgeblickt und festgestellt, dass ich solchen Männern auch schon begegnet bin und dieses Verhalten sogar in einigen Beziehungen akzeptiert habe. Als ich jünger war, nicht immer genau wusste, was ich wollte, und meinen eigenen Bedürfnissen nicht immer Gehör verschaffte und den nötigen Raum gab, da konnte es passieren, dass ich die Weigerung eines Mannes, mich oral zu befriedigen, einfach akzeptiert habe, weil mir die Beziehung/der Mann wichtiger war. Das führte dazu, dass ich das ungute Gefühl, welches mich dadurch beschlich, so gut es ging, aus Liebe ignorierte. Ja, es gibt keiner Frau ein schönes Gefühl, wenn der Mann ein Problem mit ihrer Vagina hat. Diese ablehnende Haltung signalisiert einer Frau, etwas stimmt nicht mit ihr. Sie oder ein Teil von ihr sei nicht in Ordnung. Die Weigerung sorgt nicht dafür, dass eine Frau sich vollends angenommen, begehrt und geliebt fühlt. Es ist etwas anderes, wenn der Mann sagt, er habe aus diesen oder jenen Gründen Schwierigkeiten mit Cunnilingus, aber bereit ist, gemeinsam mit der Frau, die sich oralen Sex wünscht, daran zu arbeiten. Ladies, in diesem Fall bitte keinen Druck aufbauen. Die Bereitschaft ist da und es erfordert Geduld. Nehmt ihn an der Hand, kommuniziert offen, was und wir ihr es möchtet. Gebt auch währenddessen Feedback. Nur so kann er sicherer und besser werden. Aber dieses nicht zu diskutierende Nein ist keine gute Basis für ein ausgewogenes Sexualleben, vor allem, wenn für ihn ein Blowjob selbstverständlich ist und er diesen sogar einfordert.

„Proaktiv handeln und nicht warten!“

Wie gesagt, in der Vergangenheit habe ich das auch akzeptiert, aber das Gute am Älterwerden ist, dass ich mehr und mehr weiß, was ich will, was mir guttut und vor allem was nicht. Mein Moment der Erleuchtung kam, als ich mit einem Mann beim 3. Date im Restaurant saß und er mir über den Tisch zuflüsterte, er wollte jetzt gerne mit mir auf die Toilette und sich von mir oral befriedigen lassen. Worauf ich ihm sagte, dass das eine schöne Idee sei, dann könnte er das Gleiche bei der Gelegenheit auch bei mir tun. Seine aufgerissenen Augen und sein schreckhaftes Zurückweichen haben nicht nur den Moment zerstört, sondern waren auch der Anfang von Ende. Der Abend wurde von Diskussionen über seine Reaktion, seine Weigerung überschattet. Da wusste ich bei der Verabschiedung, dass ich ihn nie wiedersehen würde und dass für mich in Zukunft gilt: kein Cunnilingus, kein Fellatio! Denn wie Samantha aus Sex and the City beim Abschied von Smith sagte: „Ich liebe Dich, aber ich liebe mich mehr.“ Und dazu gehört eben auch, dass Frau ihre sexuellen Wünsche nicht hinten anstellt.
Deshalb ist es in der Kennenlernphase sinnvoll, dem Mann Euren Wunsch nach Cunnilingus frühzeitig mitzuteilen. Dann kann er sich darauf einstellen oder eben gehen. Seid Ihr in einer Beziehung, wo es bis jetzt nie ein Thema war, dann wird es Zeit, die Kommunikation mit dem Partner zu suchen. Vielleicht wartet er schon lange darauf, Euch endlich mit seiner Zunge zu verwöhnen und hat sich bisher nur nicht getraut oder ist per se bei dem Thema unsicher, weil er zu wenig Erfahrung hat. Wie auch immer, es liegt an Euch, hier proaktiv zu handeln und nicht darauf zu warten und zu erwarten, dass er sich darum kümmert.

Und wenn mal wieder so ein Satz kommt wie: „Ich stehe nicht so auf den Geschmack“ kann ich nur antworten: Babe, Dein Joystick schmeckt auch nicht nach Karamelleis.

Bild: Shutterstock



Veröffentlicht am
27. September 2017



Kommentare

  • Uhi. Ist das so? Muss ich mir jetzt Gedanken machen? Habe ich einen Getisch? Ich persönlich kann das nicht nachvollziehen und bin mir sicher, dass ich als Typ kein Einzelfall bin oder in der Minderheit. Das weibliche Geschlechtsorgane ist fazinierend und gehört auch definitiv in das orale Verwöhnprogramm.

  • Ich finde Frauen bewundernswert, die so zu sich stehen und ihre Wünsche einfordern können. Tatsächlich bin ich diejenige, die mir Steine in den Weg legt und das ist einfach frustrierend, aber das steht auf einem anderen Blatt 🙂 Toller Artikel, und wichtiger Artikel! LG xx

    • Hallo Ju, danke für Dein Feedback. Freut mich, dass Dich der Artikel anspricht. Und was das „selbst im Weg stehen“ betrifft, ist ja bekanntlich der erste Schritt zur Veränderung, die Selbsterkenntnis. Nur Mut! Sinnliche Grüße, Asmona

  • Guten Abend,

    anscheinend muss ich mir ebenso wie Chris Gedanken machen, denn ich bin ein absoluter Freund davon. Manchmal ist diese Art des Liebesspiels sogar um einiges anregender als einfacher Sex. Einfach zu wissen, dass man mit Finger und Zunge sein Partnerin in absolute Ektase versetzen kann.

    Allerdings muss man dies auch wollen! Mal kurz seine eigenen Bedürfnisse hinten anstellen und einfach nur etwas für den Anderen tun. Wenn man(n) das von seiner Partnerin einfordert, dass muss er es auch zurückgeben können. Man, ich hätte da einfach ein absolut schechtes Gewissen. In einer Beziehung geht es ums Geben und ums Nehmen. Ich kann nicht immer nur wollen und dann nichts im Gegenzug anbieten. So halte ich das eben und zwar auch im Bett.

    Man, man, man, da bist du schon ein paar ordentlichen Knalltüten begegnet. Aber wie es aussieht gibt es davon ziemlich viele. Anscheinend gehöre ich zu den Aussahmen, welche die Regeln bestätigen 😉

    Vielen Dank für den schönen Beitrag.

    Viele Grüße
    Beluri (Ist nur mein Bloggername, also nicht wundern)

    • Hallo Beluri,
      es ist schön zu lesen, dass es Dir Freude bereitet, Deine Partnerin zu verwöhnen und das Geben und Nehmen für Dich selbstverständlich ist. Weiterhin viel Spaß und sinnliche Stunden. Asmona

  • Toller Artikel, großes Lob! In meiner jetzigen Beziehung ist das zum Glück gar kein Problem (Herrschaften über mir: ihr seid wohl nicht allein zum Glück), aber ich bin auch schon anderen Männern begegnet. Schön, dass das so offen und ehrlich angesprochen wird!
    Liebe Grüße, Dorie
    Ps. Und zwei neue Worte konnte ich auch lernen 😉

    • Liebe Doris,
      freut mich zu lesen, dass Dir mein Artikel gefallen hat und Du das Glück hast, diesbezüglich in guten Händen zu sein. Jetzt würde mich aber interessieren, welche zwei Worte das wären. 😉
      Wünsche Dir einen schönen Tag. Sinnliche Grüße, Asmona

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